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Das Unsichtbare sichtbar machen: Integrierte Missionssysteme mit EO-Sensoren

Ein verbessertes Situationsbewusstsein, genauere Klassifizierungen, ein geringerer Personalbedarf und mehr Optionen zur Aufzeichnung von Missionen sind nur einige der Vorteile, die Elektrooptische (EO) Sensoren in militärischen Umgebungen bieten.

Das Ass im Ärmel ist jedoch, dass die EO-Sensoren „passiv“ arbeiten, d.h. sie senden keine Signale aus, die möglicherweise von externen Parteien erfasst werden könnten. Für die Seestreitkräfte bedeutet dies, dass die EO-Sensoren ihnen helfen, zu sehen, aber unsichtbar bleiben. Ein wichtiges Merkmal in heutigen Gefechtsumgebungen, insbesondere im Hinblick auf künftige Bedrohungen.

Im Interview befragten wir Didier Flottes und Franck Maarse, zwei operative Experten der Marine, die sich mit elektrooptischen Sensoren der Marine auskennen, über die Bedeutung von EO in Gefechts- und Sicherheitsoperationen der Marine und darüber, was die Zukunft bereithält.

Das Wichtigste zuerst: Was sind elektrooptische Sensoren?

„Im Grunde messen elektrooptische (EO) Sensoren physikalische Größen und Eigenschaften des Lichts und wandeln diese in elektronische Daten um. Wenn wir im Bereich der Marine darüber sprechen, erklären wir diese gewöhnlich als Sensoren, die das erweitern, was Sie mit Ihren eigenen Augen sehen können. EO-Sensoren sind Kameras, die Ihnen helfen, mehr, weiter oder detaillierter zu sehen, als Sie es selbst tun könnten. Mit Hilfe neuester Technologien können intelligente Algorithmen auf die EO-Sensordaten angewendet werden, um deren 24/7-Überwachungsinformationen für die Seestreifkräfte und ihre Missionen noch wertvoller zu machen.“

Deckt Radar nicht normalerweise die Überwachung ab?

„Sicherlich, aber Radar deckt andere Arten der Überwachung ab, mit unterschiedlicher Technik. Radargeräte senden Funkwellen aus. Anhand des reflektierten Signals können sie die Entfernung, Peilung, Höhe und Geschwindigkeit (4D-Radar wie NS50) eines entdeckten Objekts bestimmten. Je nach Art des Radars und Ihrer Software kann es lernen, Ziele anhand dieser Merkmale zu entdecken, zu verfolgen und zu klassifizieren. Radar ist jedoch nicht in der Lage so zu „sehen“ und zu identifizieren wie es EO-Sensoren können. Wenn Ihr Radargerät beispielsweise eine sich nähernde Gruppe von Booten in einer stark befahrenen Fahrrinne erkennt, liefert EO aufgrund von Sensordaten von Infrarot- und Tageslichtkameras zusätzliche Information darüber, wie die Boote tatsächlich aussehen. So lässt sich feststellen, ob es sich um eine Gruppe von Fischern oder um Piraten handelt – neben der Messung von Entfernung, Peilung und Geschwindigkeit ist dies für die Identifizierung von entscheidender Bedeutung.

Wichtiger noch: Radare sind aktive Sensoren. Das bedeutet, dass sie zur Erkennung von Objekten aktiv Signale aussenden – und was immer sie aussenden, kann von jemand anderem empfangen werden. In befreundeten Gewässern und während friedlicher Missionen mag das kein Problem darstellen. In feindlichen Umgebungen jedoch kann dies Ihre Position verraten. Schlimmer noch: Es könnte Sie zu einer Zielscheibe machen. Um in solchen Situationen unentdeckt zu bleiben, sollten Sie Ihr Radar sparsam einsetzen. EO-Sensoren sind passiv; sie sammeln lediglich Informationen und senden selbst keine Signale aus. Das bedeutet, dass Ihre Verwendung unentdeckt bleibt. In einer sich ständig verändernden Welt, die von konventionellen bis hin zu asymmetrischen Bedrohungen geprägt ist, kann die hoch entwickelte Fähigkeit von EO den entscheidenden Vorteil liefern, den Sie für die erfolgreiche Erfüllung Ihrer Mission benötigen.“

 

Bei welcher Art von Missionen ist ein EO besonders nützlich?

„Die Bedrohungslage für unsere Seestreitkräfte verändert sich rasant. Raketen sind schneller als je zuvor, aber wir müssen jetzt auch die sich langsam bewegenden UXVs bedenken. Asymmetrische Bedrohungen werden mehr und mehr zur gängigen Praxis. Sie müssen in der Lage sein so schnell wie möglich zu erkennen, zu klassifizieren und zu identifizieren, um mehr Reaktionszeit zu haben. Ein paar Sekunden mehr können den Unterschied ausmachen.

Seestreitkräfte müssen auf die Bedrohungen von heute und morgen vorbereitet sein, was bedeutet, dass man sich nicht auf eine einzige Datenquelle verlassen kann. Im Idealfall möchten Sie die Daten mehrerer Sensoren kombinieren, die die Ergebnisse ergänzen und bestätigen, sodass Sie schneller und effizienter handeln können. Durch die Kombination von Sensordaten, z.B. von Radar und EO, wird alles, was um Ihr Marineschiff herum passiert, exponentiell klarer.

EO ist außerordentlich nützlich in Situationen, in denen Sie Objekte auf oder knapp über der Oberfläche besser von Bedrohungen aus kurzer bis mittlerer Entfernung besser klassifizieren müssen – etwas, worauf unser Gatekeeper-Sensor spezialisiert ist. EO-Sensoren für große Entfernungen (wie z.B. ARTEMIS) können Ihnen helfen, ein solches Ziel zu sehen und zu identifizieren, noch bevor es am Horizont für die Radarerkennung erscheint. Ein paar zusätzliche Sekunden zum Reagieren könnten die Überlebenschance von Schiff und Besatzung erheblich erhöhen.

Aus verschiedenen Gründen können nicht immer Leute an Deck sein oder Ausschau halten – selbst wenn das Wetter mitspielt und die Sicht gut ist. Die EO-Sensoren ermöglichen eine bessere 24/7-Nahbereichsüberwachung rund um das Schiff unter allen Bedingungen. EO-Sensoren eignen sich nicht nur für niedrige, schnelle Ziele, sondern sie helfen auch bei der Identifizierung langsamer, kleiner Oberflächenziele sowie allem, was sich Ihrem Schiff nähert (wie z.B. kleine Boote und sogar lauernde Periskope). Möglicherweise hat Ihr Radar ein kleines auf Sie zukommendes Boot erkannt, aber Sie wissen nicht um was für ein Boot es sich handelt. Lassen Sie Gatekeeper einfach zu Ihren „Augen“ werden, sodass sie digital heranzoomen und nach Flaggen, Zahlen, Farben oder anderen Erkennungsmerkmalen Ausschau halten können.

Die Erkennung und Klassifizierung von Drohnen, z.B. UAVs und USVs, wird ebenfalls erheblich erleichtert. Ein Drohnenschwarm kann Wellen aussenden, die für herkömmliche Radare schwer zu klassifizieren sind. Die eingebauten Tageslicht- und/oder Infrarotkameras helfen Ihnen, zu erkennen, zu verfolgen, zu identifizieren und zu bestätigen, was die anderen Sensoren sehen. Dies ist sehr wertvoll, nicht nur für die Sicherheit Ihrer Besatzung, sondern auch für den Schutz Ihres mehrere Millionen Euro teuren Schiffes vor entbehrlichen USVs und UAVs, die günstig zu ersetzen sind.

Außerdem, und vielleicht ein wenig außer Acht gelassen, sind gute EO-Sensoren auch bei Aufbringungsmaßnahmen auf See aus rechtlichen und sicherheitstechnischen Gründen wertvoll. Ihre Besatzung kann sich in Gefahr befinden, wenn sie an Bord eines verdächtigen Schiffes geht und Ihre Gatekeeper-Kameras an Bord helfen Ihnen, das Geschehen auf dem Nachbardeck im Auge zu behalten. Vergessen Sie nicht: Sie können außerdem alles aufzeichnen, was Ihr Gatekeeper sieht, und so ein Archiv mit potenziell wichtigen rechtlichen Hinweisen anlegen. Gatekeeper ist sogar beim Anlegen in fremden Häfen nützlich: Sie brauchen nur einen einzigen aktiven Bediener, um das Schiff und die Umgebung zu überwachen, auch bei Nacht. Das Ergebnis ist eine höhere Zeiteffizienz (die Besatzung kann andere wichtige Aufgaben erledigen) und eine besser erholte Besatzung.“

Wie bleiben die EO-Lösungen von Thales zukunftssicher?

„Neben Verbesserungen der Hardware – wir entwickeln beispielsweise ein Gatekeeper-Update mit verbesserter Kamera-Hardware – arbeiten wir ständig an intelligenterer Integration, besseren Schnittstellen und der besten, benutzerfreundlichen Software, die alles miteinander verbindet. Wir verfolgen viele neue Ziele: automatische Erkennung von Objekten und Personenidentifizierung, Unterdrückung von Stördaten (Clutter Rejection), Verringerung der Arbeitsbelastung des Bedieners und vieles mehr. Bedrohungen werden zunehmend schneller, stärker, kleiner und schwieriger zu erkennen. Deshalb erarbeiten wir weiterhin Lösungen, die nicht nur mithalten, sondern einen Schritt voraus sind. Die Kontrolle von Informationen wird immer von größter Bedeutung sein: Je mehr Sensoren Sie integrieren können, desto besser für die Kombination und Bestätigung von Erkenntnissen.

Die Zukunft von EO wird sich definitiv in Richtung EO-Suiten bewegen, in denen mehrere Sensoren und das CMS mit Hilfe von KI-basierten Algorithmen auf höchst effiziente Weise zusammenarbeiten. Sie werden in der Lage sein, EO-Daten schnell zu verarbeiten und die Besatzung eines Schiffes im Falle einer sich nähernden Bedrohungen über das CMS zu alarmieren. Eine solche Verbindung würde eine schnelle Erkennung, Verfolgung, Klassifizierung und Einsatzfähigkeit z.B. gegen die sich entwickelnden Bedrohungen durch USVs und UAVs, wie sie sich im aktuellen Konfliktklima abzeichnen, ermöglichen.

Wir reagieren außerdem auf den Bedarf an Sensoren, die geeignet sind für häufige Software-Updates, die abwärtskompatibel sind, durch ein kontinuierliches Verbesserungs- und Serviceprogramm zwischen Industrie und Marine. Thales verfügt über umfangreiche Erfahrungen bei der kontinuierlichen Verbesserung seines Produktportfolios und der Integration von Sensoren in das CMS eines Schiffes. Europäische Marinen wie Deutschland, das Vereinigte Königreich und die Niederlande sowie auch Mexiko profitieren von integrierten Missionssystemen mit EO-Sensoren. EO wird in naher Zukunft noch wichtiger werden.“