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Aus Ulm in den Orbit

Ein neuer „Space Race“ prägt das aktuelle Jahrzehnt. Seit SpaceX als erstes privates Raumfahrtunternehmen gezeigt hat, dass sich die Kosten für Raumfahrtprojekte drastisch senken lassen, eröffnen sich plötzlich viele Möglichkeiten in neue Anwendungen vorzustoßen. Breitbandzugang für alle, Explorationen am Rande unserer Galaxie und vor allem der Zugang zu noch unbekannten Bodenschätzen auf uns umgebenden Planeten. Wie schon in den 60er Jahren entfacht dies erneut ein Feuer in den Herzen der Träumer und Visionäre für die unendlichen Weiten des Alls. Ein Feld zum Träumen, das aber auf den Ergebnissen etlicher bemannten und unbemannten Missionen, andauernder Forschung sowie der kontinuierlichen technologischer Weiterentwicklungen beruht.

Diese Weltraummissionen lieferten und liefern uns wertvolle Daten und Erkenntnisse zu unserem Universum und unseren planetaren Nachbarn. Das Erstaunliche daran ist, dass diese Daten und Bilder uns über riesige Entfernungen erreichen. Etliche Forschungssonden legen Milliarden von Kilometern zurück: die New Horizon Sonde reiste über 8 Jahre an ihr Missionsziel. Dass diese Signale uns überhaupt erreichen, ist einer ausgeklügelten Technologie zu verdanken. So verstärken Wanderfeldröhren beispielsweise schwache Signale und ermöglichen Übertragungen von Signalen über große Distanzen. Sie kommen zum Beispiel in Radargeräten, bei der Satellitenkommunikation oder der Radioastronomie zum Einsatz. Seit den 50er Jahren produziert Thales Wandelfeldröhren unter anderem am Baden-Württembergischen Standort in Ulm.  

Anlässlich des heutigen Weltraumforschungstages, dem 20. Juli 2021,  stellen wir einige Forschungsmissionen vor, auf denen diese wunderbaren kleinen Helfer aus den Thales-Werken Ulm und Velizy (Frankreich) mit dabei waren, sind oder sein werden. Lassen Sie sich überraschen.

Im Dauereinsatz für den Mars

Seine Ähnlichkeit zur Erde macht den Mars für die Forschung besonders interessant und zum Ziel zahlreicher Missionen und Zukunftsvisionen. Aufgrund der Neigung seiner Rotationsachse gibt es auf dem Planeten wie auf der Erde Jahreszeiten. Thales Wanderfeldröhren sind seit 1996 auf über sieben Missionen im Einsatz, darunter unter anderem auf der Raumsonde Mars Global Surveyor, welcher das Phänomen der Jahreszeiten erstmals dokumentierte. Die 2006 gestartete Sonde Mars Reconnaissance Orbiter ist auf der Suche nach Beweisen dafür, dass es auf der Oberfläche des Mars über einen längeren Zeitraum Wasservorkommen gab. Obwohl andere Marsmissionen gezeigt haben, dass in der Geschichte des Mars Wasser auf der Oberfläche existiert hat, bleibt es ein Rätsel, ob das Wasser lang genug vorhanden war, um einen Lebensraum darzustellen. 2011 startete Mars Science Laboratory (Rover Curiosity). Die Mission sollte endgültig klären, ob der Mars aktuell oder früher Leben beherbergte. Dafür untersucht der Rover Gesteinsproben auf mikrobielles Leben. Das Gemeinschaftsprojekt der ESA und der russischen Raumfahrtagentur ROSKOSMOS, ExoMars, widmet sich ebenfalls der Suche nach Leben auf dem Mars und umfasst zwei Missionen. Die erste im Jahr 2016 gestartete Mission enthielt den Trace Gas Orbiter (TGO) sowie Schiaparelli, ein Demonstrationsmodul für den Eintritt, Abstieg und die Landung. Der Start der zweiten Mission ist für das Jahr 2022 geplant. Sie enthält einen Rover und eine Plattform für die Untersuchung der Oberfläche.

Die unendlichen Weiten

Unsere Galaxie und das Universum haben aber noch mehr zu bieten, als nur den Mars. So sind Wanderfeldröhren an Missionen um unsere Sonne, den Merkur, die Venus, Jupiter, Saturn und diverse Kleinkörper und Zwergplaneten beteiligt oder unterstützen die Kommunikation bei der Erkundung des Universums im Allgemeinen. So sind alleine acht Wanderfeldröhren auf der BepiColombo auf dem Weg zum Merkur, zum kleinsten und am wenigsten erforschten terrestrischen Planeten in unserem Sonnensystem. Bei ihrer Ankunft auf dem Merkur Ende 2025 wird die Forschungssonde Temperaturen von mehr als 350°C ausgesetzt sein und während ihrer Mission Daten zum Beispiel zur Oberflächenstruktur und Zusammensetzung, zu Strahlungen, Partikeln oder dem Magnetfeld sammeln.

Bereits 1997 startete die Cassini-Huygens-Mission zum Saturn mit Wanderfeldröhren aus Ulmer Produktion an Bord. Die gekoppelten Sonden Cassini und Huygens umkreisten den Ringplaneten Saturn und seine vielen Monde und bildeten die Grundpfeiler zur Erforschung des Saturnsystems und der Eigenschaften von Gasplaneten in unserem Sonnensystem. Huygens Mission endete mit der Landung auf dem Titan 2005. Die Mission des Cassini Orbiter wurde mehrfach verlängert bis ihm endgültig der Treibstoff ausging und er in einem geplanten Eintritt in die Saturnatmosphäre 2017 verglühte.

Die New Horizons-Mission wiederum, die 2006 gestartet ist, soll zum Verständnis der Welten am Rand unseres Sonnensystems beitragen, indem es den Zwergplaneten Pluto das erste Mal ansteuert, und sich tiefer in den fernen und geheimnisvollen Kuipergürtel wagt – ein Relikt der Entstehung des Sonnensystems. Erste Aufnahmen überraschen Wissenschaftler mit vielfältigen aber auch rätselhaften Gesteinsformationen und Strukturen.

Bereits seit mehr als einem Jahr umkreist die Sonde Solar Orbiter unsere Sonne. Die Wissenschaftler erhoffen sich Antworten auf Fragen wie: Was bestimmt den 11-Jahre-Zyklus der Sonne, der ihre magnetischen Aktivitäten steigen und sinken lässt? Was heizt die obere Schicht ihrer Atmosphäre, die Korona, auf Millionen von Grad Celsius auf? Wie entsteht Sonnenwind? Was beschleunigt den Sonnenwind auf Geschwindigkeiten von Hunderten von Kilometern pro Sekunde? Und wie wirkt sich all dies auf unseren Planeten aus?

Das Infrarot-Weltraumteleskop JWST (James-Webb-Weltraumteleskop) mit über sechs Meter großen Spiegeln – ein Gemeinschaftsprojekt der Weltraumagenturen NASA, ESA und CSA - soll die Entdeckungen des Hubble-Weltraumteleskops ergänzen und erweitern. Aufgrund seiner größeren Wellenlängen kann das JWST die Anfänge der Zeit noch näher betrachten, die unbeobachteten Formationen der ersten Galaxien erforschen und in Staubnebel hineinsehen, in denen heute Sterne und Planetensysteme entstehen. Side-Fact: Das Herschel-Weltraumteleskop, ebenfalls ausgestattet mit Wanderfeldröhren von Thales, befand sich während seiner Mission ebenfalls im Lagrange L2 bevor er 2013 abgeschaltet und auf eine „Friedhofsbahn“ geschickt wurde. Die hochmodernen Infrarotdetektoren hatten erstmals nachweislich Sauerstoffmoleküle im Weltraum festgestellt und zwar im Sternentstehungskomplex des Orion.

Wanderfeldröhren bilden insbesondere für Deep-Space-Anwendungen auch in der Zukunft das Rückgrat von Forschungsmissionen – nicht zuletzt wegen ihrer Robustheit und ihrem Wirkungsgrad im Vergleich zu Halbleiterverstärker (SSPA). So senden beispielsweise die zwei Voyager-Sondern, die vor mehr als 43 Jahren zusammen auf ihre Reise zur Erforschung des interstellaren Raums geschickt wurde, noch immer regelmäßig Daten zur Erde. Dank der an Bord befindlichen Wanderfeldröhren überwinden diese Daten mehr als 22 Milliarden Kilometern (Voyager 1) und liefern uns wichtige Erkenntnisse und Bilder von allen äußeren Planeten. Auch für das tägliche Leben und Vorhersagen für Wetter und Umwelt sind Wanderfeldröhren bei Erdbeobachtungssatelliten im Einsatz und bringen eine unendliche Flut an Daten zu den Bodenzentralen auf der Erde. Wanderfeldröhren sind in der Telekommunikation und in der Navigation ein wichtiger Baustein bei der Datenübertragung. Immer neue Anforderungen in den verschiedenen oben genannten Anwendungsgebieten erfordern aber auch immer wieder neue innovative Entwicklungsschritte einer „alten“ Technologie.

Auch wenn die Technologie der Wanderfeldröhren auch zu den „alten Eisen“ gehört, hat sie durch ihre Verlässlichkeit unsere Erkenntnisse über das Weltall geprägt und einen erheblichen Beitrag zur Erforschung des Weltalls beigetragen. Lassen Sie uns alle nicht nur den Weltraumforschungstag zelebrieren, sondern all die klugen Köpfe hinter den Missionen und Technologien! Daher möchten wir Sie mit auf eine intergalaktische Reise mitnehmen. Lassen Sie sich faszinieren!

 

Wussten Sie, dass…

… nach dem Zweiten Weltkrieg AEG Telefunken Ulm zum Hauptsitz seines Röhrengeschäfts ausbaute. 1964 wurde eine spezielle Wanderfeldröhre für den mobilen militärischen Richtfunk-Einsatz vorgestellt. Im selben Jahr begann die Entwicklung von Senderöhren für Satelliten. Die Anforderungen sind enorm: Die Bauelemente müssen hoher Beschleunigung und extremen Temperaturschwankungen standhalten – und können im Fall des Versagens nicht ausgetauscht werden. Zur Sicherheit war deshalb ein redundanter Röhrensatz vorgesehen. Zehn Jahre später war es so weit: Eine Delta-Rakete der NASA brachte mit dem deutsch-französischen Experimentalsatelliten Symphonie 1 die ersten vier Wanderfeldröhren aus Ulm in den Orbit. Nach mehr als 70.000 Betriebsstunden wurde der Satellit 1983 abgeschaltet. Die Ersatzröhren mussten nicht einspringen. Die Premiere war gelungen. Doch Wanderfeldröhren sind nicht die einzigen Innovationen die am Thales-Standort Ulm entwickelt und produziert werden. 2023 wird Thales sein elektrisches Satellitentriebwerk HEMP-T (High Efficiency Multi Stage Plasma Thruster) auf dem deutschen GEO-Satelliten H2sat erstmals ins All schicken. Dort wird es für die Lageregulierung verantwortlich sein. Weiterführende Entwicklungen des Triebwerks erlauben Anwendungen bei zahlreichen Konstellationen als zentraler elektrischer Antrieb für den Orbit-Transfer, die Lageregelung und den Transfer aus dem operativen Orbit am Ende der Lebenszeit des Satelliten.

Wollen Sie mehr erfahren?

Lesen Sie auch unseren spannenden Artikel zum Thema Weltraumforschung und welche Technologien von Thales dabei unterstützen (in Englischer Sprache).

Autor: Rebekka Fredrich