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Angesichts der Tatsache, dass immer größere Teile der Weltmeere vermint sind, haben sich Frankreich und Großbritannien 2015 das Ziel gesetzt, effektive Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Das Ziel: eine deutliche Steigerung der Leistungsfähigkeit der Seestreitkräfte und mehr Sicherheit für die Soldaten. Das Unterfangen war ambitioniert, denn es sollte ein integrierter, technologisch hochentwickelter Systemverbund konstruiert werden, das sich per Flugzeug kurzfristig über große Distanzen verlegen lässt. Außerdem sollte das Programm schnell umgesetzt werden, und zwar in einem Bereich, für den es keine bewährte Blaupause gibt. Last but not least sollte die Lösung garantierte Zuverlässigkeit bieten, autonom sein und sämtliche Anforderungen an die Cybersecurity erfüllen.

 

Da viel auf dem Spiel stand, mussten sämtliche relevanten Kompetenzen und Erfahrungen gebündelt werden, um das angestrebte Ziel zu verwirklichen. Gefordert waren erhebliche F&E-Kapazitäten sowie die Fähigkeit, auch hochkomplexe Projekte zu steuern und erfolgreich abzuschließen. Nach einem, dreijährigen Ausschreibungsverfahren erhielt Thales den Zuschlag. Die Zielvorgabe? Die Realisierung eines belastbaren Demonstrationsprojekts eines vollständig unbemannten MCM-Systems, das in schwierigen Seegebieten zum Einsatz kommen soll. Der Zeithorizont? Fünf Jahre.

Heute steht fest: Das ambitionierte Unterfangen der britischen und der französischen Seestreitkräfte war ein Erfolg. Ein zuverlässiges System – das erste seiner Art –, wurde gründlich getestet und soll nun anforderungsgerecht geliefert werden. Doch wie war dieser Erfolg möglich? Thales war entschlossen, die Anforderungen seiner Kunden zu erfüllen und machte sich deren Anliegen zu eigen. Als Hauptauftragnehmer und Systemintegrator trug Thales große Verantwortung. Dementsprechend tätigte der Konzern umfassende Investitionen in die Entwicklung von Technik und Personal. Dabei griff Thales auf ein komplexes Netzwerk aus Partnern zurück, die von dem Konzern sicher und kompetent geführt wurden. So gelang es beispielsweise, durch eine vollständige Simulation des Systemverhaltens das Risiko zu verringern, dass bei den Tests auf hoher See Zeit und Material verloren gehen. 

Von Anfang an hat Thales größten Wert darauf gelegt, dass die Lieferanten Kontakt zu den Marinesoldaten und Bedienern des Systems haben. Während der vielen Besuche auf den Marinestützpunkten und Werften entwickelten Thales und seine Partner ein umfassendes Verständnis der konkreten Nutzeranforderungen und erwarben damit Kenntnisse, die über die rein theoretischen Anforderungen weit hinausgehen. Dadurch konnten die Teams der französischen und britischen Seestreitkräfte sowie die Teams von Thales und der wichtigsten Lieferanten des Konzerns (ECA, L3Harris, Kongsberg und SAAB) hervorragend zusammenarbeiten. Alle waren sich einig über das Ziel, wodurch es gelang, einen Prozess zu bewältigen, für den es bislang keine Blaupause gab.
 

Auch die Präsenz vor Ort war wichtig. Dadurch, dass sich das Thales-Team in räumlicher Nähe zu den Endanwendern im französischen Brest befand, konnte ein maßgeschneidertes HMI (Human-Machine Interface) geliefert werden, das die Bedarfe der Seestreitkräfte perfekt abdeckt. Auch die Investitionen in das neue UK Autonomy Centre im britischen Turnchapel Wharf zahlten sich aus. Die neue Einrichtung hat nicht nur einen guten Zugang zu den tiefen Gewässern des Plymouth Sound und einem örtlichen Kompetenzzentrum der Marine, sondern weckte 2018 auch das Interesse von Hochschulen, Labors und führenden Akteuren der Marine. Inzwischen hat sich das UK Autonomy Centre zu einem Hub entwickelt, das auch andere Seestreitkräfte bei der unbemannten Kriegsführung unterstützt.

Ein weiterer Faktor war Reaktionsschnelligkeit – diese war insbesondere in der ersten Phase gefordert, in der das ursprüngliche Konzept im Rahmen einer ebenso konstruktiven wie flexiblen Zusammenarbeit erheblich weiterentwickelt wurde. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie musste Thales auch in der Logistik große Flexibilität an den Tag legen. So reichte es nicht mehr nur aus, über einen Plan B zu verfügen, sondern das Thales-Team musste auch noch einen Plan C, D und E in der Hinterhand haben. 

Die letzte und spannendste Herausforderung in der ersten Phase des MMCM-Programms war die Demonstration des Systemverbundes bei Tests auf See, die unmittelbar nacheinander vor Brest, Toulon und Plymouth durchgeführt wurden. Dabei spielten die Streitkräfte und Thales zahlreiche Szenarien und Unterszenarien durch. Die Tests fanden im Herbst und zu Beginn des Winters statt und liefen zunächst in Slots von 8 bis 10 Stunden und schließlich rund um die Uhr. Die unbemannten Fahrzeuge deckten ein Gebiet von 30.000 Fußballfeldern ab. Damit konnte die Leistungsfähigkeit der MCM-Systeme gegenüber herkömmlichen Ansätzen verdreifacht werden. Dutzende von Minen wurden unter verschiedensten Umgebungsbedingen entdeckt, klassifiziert und lokalisiert, um die Bedrohungen zu neutralisieren.

Doch wie geht es mit dem MMCM weiter? Für Frankreich und Großbritannien beginnt nun die zweite Phase, und bei Thales laufen bereits die Vorbereitungen: So baut der Konzern seine Produktionskapazitäten und internationalen Lieferketten aus und stellt neue Teams zusammen.

Durch die Chance, gemeinsam mit der französischen und der britischen Marine an einem vollkommen MMCM-Konzept zu arbeiten, konnte Thales einmalige Kompetenzen aufbauen, die auch für die Projekte anderer Seestreitkräfte genutzt werden können. Die unbemannte Kriegsführung der Zukunft ist eine spannende Aufgabe, bei der es gilt, die Kunden im Hinblick auf die technisch und wirtschaftlich sinnvollsten Optionen gut zu beraten. Dies gilt sowohl für vollständig unbemannte MCM-Systeme, die aus der Ferne von einem bemannten Schiff oder einer Einsatzzentrale aus gesteuert werden, als auch für hybride Systeme, bei denen sowohl bemannte als auch unbemannte Einheiten zum Einsatz kommen und die von einem Schiff in dem verminten Seegebiet aus gesteuert werden. Im Rahmen des MMCM-Programms hatte Thales die Gelegenheit, wichtige Grundlagen und Kompetenzen aufzubauen. So ist es dem Konzern gelungen, eine internationale Lieferkette für unbemannte MCM-Lösungen zu entwickeln, die als die leistungsfähigste ihrer Art gilt. Außerdem haben die Thales-Teams umfassendes Wissen im Hinblick auf Make-or-Buy-Entscheidungen erworben.

All diese Lernerfahrungen sind in PathMaster eingeflossen. Dabei handelt es sich um ein umfassendes Konzept zur Bewältigung der komplexen Herausforderungen, die mit dem Minenkrieg und unbemannten Systemen einhergehen. PathMaster berücksichtigt dabei die MCM- und Budgetanforderungen der Kunden und wirft gleichzeitig ein Schlaglicht auf die Seekriegsführung der Zukunft.